Wenn der Hund zum Team gehört
Tag des Haustiers
Quelle Freie Presse, 20.02.2018
Von Christian Meyer und Stefan Stolp
erschienen am 20.02.2018
Meerane/Waldenburg. Als Versicherungs- und Finanzunternehmer muss Ingo Heinig gut mit Kunden können – und hat deswegen einen besondern Türöffner, wenn Gäste in seinem Büro sind: Windhund Conrad. „95 Prozent der Kunden reagieren positiv, wenn sie ihn sehen“, sagt Heinig. „Meistens wird zuerst über den Hund gesprochen, und dann erst über alles andere. Er ist ja auch ein ganz Lieber und hat ein zartes Wesen.“ Heinig hat sein Büro im Waldenburger Schloss. Conrad gehört hier seit 2014 mit zum Team. Dass sein Hund gut für das Betriebsklima ist, würde Ingo Heinig unterschreiben. Ein paar Einschränkungen macht er aber doch. „Ob ein Hund gut für einen Arbeitsplatz ist, das hängt sehr vom Umfeld ab -und natürlich vom Tier.“ Schließ muss er mit Conrad auch ab und an raus für einen kurzen Spaziergang, da müssen die Kollegen Verständnis mitbringen. „In der Chemnitzer Innenstadt würde ich das nicht unbedingt machen. Hier am Schloss mit den Parks vor der Tür ist das natürlich ideal“, so Heinig.
Szenenwechsel. In der Fertighalle des Unternehmens RGenau Industries KG in Meerane springt Budo aufgeregt hin und her. Dass er fotografiert werden soll, kennt der fast dreijährige Jack Russel nicht so gut. Sein Herrchen ist René Seibicke, der seit etwa zwei Jahren in dem Meeraner Spezialbetrieb für Lackiererei und Oberflächenveredlung am Seiferitzer Schulweg arbeitet. René Seibicke selbst ist gehörlos, kann sich mit seinen Kollegen nur mit Handzeichen beziehungsweise anhand geschriebener Worte verständigen. Da funktioniert das mit Budo schon einfacher. Nach den Worten von Sebastian Schäfer, im Unternehmen für die Geschäftsfeldentwicklung zuständig, ist der Mitarbeiter in der Lackiervorbereitung und Rohteilebearbeitung beschäftigt. Budo ist nicht immer mit dabei, sondern wenn er Ruhe sucht, zieht er sich zurück und legt sich in sein Körbchen.
Ingo Heinig, Finanzberater
Der Jack Russel ist aber nicht der einzige Vierbeiner im Unternehmen. Firmeninhaber Rico Genau hat eine Mopsdame namens Jaqueline, die er ebenfalls täglich mit ins Büro nimmt. Mit Jaqueline war er gestern allerdings auf Dienstreise. „Es gab Zeiten, da hatten wir vier Hunde im Unternehmen“, sagt Schäfer. „Wir erlauben es unseren Mitarbeitern und hatten bislang keinerlei Probleme“, fügt er hinzu.
Denn nicht alle Hundebesitzer dürfen ihre Tiere mit an den Arbeitsplatz nehmen. Dafür braucht es grundsätzlich eine Erlaubnis des Arbeitgebers. Dabei gibt es offenbar gute Gründe für einen Bürohund: das Betriebsklima verbessert sich, die Stress- und Burn-Out-Gefahr sinkt und auch auf die Außenwirkung eines Unternehmens haben die Vierbeiner einen positiven Effekt. Das jedenfalls behauptet der Bundesverband Bürohunde. Das ist kein Witz, diesen Verband gibt es wirklich. Er wurde 2014 gegründet und will auf die Vorteile von Hunden am Arbeitsplatz aufmerksam machen. Auf der Internetseite des Verbandes finden sich Links zu zahlreichen wissenschaftlichen Studien, die diese Ansicht unterstützen, vom Thema Haarallergie über Hormonentwicklung bis hin zu Kreativitätsentfaltung. Im Jobportal kann man gezielt nach Arbeitsplätzen mit Bürohunden suchen. Sogar ein Betreuungsangebot für die Einführung eines Bürohundes gibt es dort.
Das sagt der Bundesverband Bürohunde (BVBH)
Der Verband führt Argumente an für den Vorteil eines Bürohundes:
Oxytocin, auch Liebes- oder Kuschelhormon genannt, wird auch beim Kontakt von Menschen mit Hunden ausgeschüttet – bei beiden. Der Effekt: Es beruhigt und baut Stress ab.
Der Stressabbau führt zu weiteren Erscheinungen: geringere Burn-Out-Gefahr, niedrigerer Bluthochdruck, weniger Krankheit.
Hunde lenken von Aufgaben ab – und Ablenkung fördert Kreativität. Hunde selbst profizieren davon, indem sie weniger vereinsamen.
Pro: Ein Hund gehört ins Büro, …
sagt Christian Meyer. Der treue Hundeblick gehört zum menschlichen Alltag und führt dazu, dass man frsich ans Werk geht.
Sabbernde Schnauze, knuffiges Knurren oder einfach dieser Hundeblick – wir reden mit Tieren und über Tiere. „Och, wie er da gerade kuckt!“ Klingt banal, ist aber nicht weniger als zutiefst menschlicher Alltag. Und das geht so manchen Büro abhanden. Während permanent das Damoklesschwert der Produktivität über uns schwebt, fläzt da in der Ecke die beruhigende Erinnerung, dass wir mehr sind als Leistungserbringer. Unsere Redaktion hat keinen Hund. Ich würde sofort einen einführen. Einen Mops. Immer, wenn ich eine nichtssagende Antwort einer Pressestelle erhalte, würde ich ihm den Bauch kraulen und mich dann ohne Wut wieder ans Werk machen. Wer weiß, vielleicht hätten wir so mehr gute Nachrichten im Blatt.
Contra: Ein Hund gehört nicht ins Büro, …
sagt Stefan Stolp. Bei aller versprochenen Harmonie zwischen Mensch und Tier bleibt immer ein restriskiko, das keiner braucht.
Auch wenn der Chef es erlaubt und die Kollegen ihr Einverständnis geben, ein Hund gehört nicht ins Büro, ins Lehrerzimmer oder in die Zeitungsredaktion. Auch wenn es Studien darüber gibt, dass ein Hund gut für das mitmenschliche Klima im Büro ist und für Harmonie sorgen kann, ein Restrisiko bleibt. Was, wenn sich die Bedingungen ändern, zum Beispiel ein neuer Kollege mit Allergie kommt ? Was, wenn es dem Vierbeiner langweilig wird? Dem Halter obliegt es, schnell reagieren zu können, wenn der Hund plötzlich Stress-Signale aussendet. Doch ob er das immer schafft, bleibt angesichts des Arbeitspensums in der Redaktion fraglich. Und dann wandelt sich alles um in Stress, den keiner braucht.
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